Schadensersatzrecht – Fluggast – Fluggesellschaft
Verjährung der Schadensersatzansprüche
Wann verjähren die Schadensersatzansprüche eines Fluggastes gegenüber die Fluggesellschaft?
Verjährung der Schadensersatzansprüche im internationalen Flugverkehr
Ausgangsfall aus der Rechtsprechung: Frau B. stürzte am 21. Dezember 1998 auf dem Rollfeld des Flughafens Luxemburg, als sie an Bord eines Flugzeugs der Luxair gehen wollte.
Am 22. Dezember 2003 erhob Frau B. beim Tribunal d’arrondissement de Luxembourg gegen Deutscher Luftpool und Luxair unter Berufung auf die Verordnung Nr. 2027/97 und das Warschauer Abkommen Klage auf gesamtschuldnerischen Ersatz des ihr entstandenen Schadens.
Die Frage der Verjährung können die Richter nach deren nationalen Gesetz lösen oder aber das Warschauer Abkommen mit der 2 jährigen Verjährungsfrist entsprechend deren Auslegung anwenden, da eine EU Norm nicht die Verjährung regelt und das Warschauer Abkommen nicht verpflichtend angewendet werden muss.
Juristischer Hintergrund
Nachdem das Tribunal d’arrondissement de Luxembourg festgestellt hatte, dass der Anspruch fünf Jahre nach dem Unfall geltend gemacht worden sei, erklärte es die Klage für verfristet, da sie nach Ablauf der in Art. 29 des Warschauer Abkommens für die Erhebung einer Schadensersatzklage vorgesehenen Klagefrist von zwei Jahren erhoben worden sei. Das Tribunal vertrat insoweit die Auffassung, dass es sich um eine Ausschlussfrist handele, die nicht gehemmt oder unterbrochen werden könne.
Aber der Art. 29 des Warschauer Abkommens in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 2027/97 ist dahin auszulegen, dass die dort vorgesehene Zweijahresfrist gehemmt oder unterbrochen werden kann oder dass das Luftfahrtunternehmen oder sein Versicherer darauf mit einer vom nationalen Richter als Haftungsanerkenntnis gewerteten Handlung verzichten kann.
Soweit daher die Verordnung Nr. 2027/97 keine Regelung der Fristen vorsieht, innerhalb deren bei Schäden, die im Zusammenhang mit Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft erlitten werden, Schadensersatzklage erhoben werden muss, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten die Ausgestaltung der entsprechenden Verfahren grundsätzlich Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten
Folglich ist es einem Mitgliedstaat grundsätzlich nicht verwehrt, in einem innerstaatlichen Verfahren auf diesem Gebiet Vorschriften wie die des Art. 29 des Warschauer Abkommens anzuwenden, die sich aus für ihn verbindlichen völkerrechtlichen Verträgen ergeben.
A – Warschauer Abkommen
Das Warschauer Abkommen enthält u. a. Vorschriften über die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei Unfällen. Es wurde mehrmals geändert, insbesondere durch das Haager Protokoll vom 28. September 1955, das Abkommen von Guadalajara vom 18. September 1961 und die vier Zusatzprotokolle von Montreal vom 25. September 1975.
Die Gemeinschaft als solche ist zwar nicht Vertragspartei des Warschauer Abkommens, im maßgeblichen Zeitpunkt waren dem Abkommen jedoch alle 15 Mitgliedstaaten beigetreten.
Art. 29 des Warschauer Abkommens in der im maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung sieht für Schadensersatzklagen Folgendes vor:
„(1) Die Klage auf Schadenersatz kann nur binnen einer Ausschlussfrist von zwei Jahren erhoben werden; die Frist beginnt mit dem Tage, an dem das Luftfahrzeug am Bestimmungsort angekommen ist, oder an dem es hätte ankommen sollen, oder an dem die Beförderung abgebrochen worden ist.
(2) Die Berechnung der Frist bestimmt sich nach den Gesetzen des angerufenen Gerichts.“
Die durch das Warschauer Abkommen festgesetzten Haftungsgrenzen sind in Anbetracht der heutigen wirtschaftlichen und sozialen Maßstäbe zu niedrig und führen oft zu langwierigen Rechtsstreitigkeiten, die das Image des Luftverkehrs schädigen. Daher haben verschiedene Mitgliedstaaten die Haftungsgrenzen erhöht, was wiederum zu unterschiedlichen Beförderungsbedingungen im Luftverkehrsbinnenmarkt geführt hat.
In der EU Verordnung 2027/97 wird wie folgt geregelt
- Art. 5 Abs. 1 und 3 lautet:
„(1) Das Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft zahlt unverzüglich, keinesfalls jedoch später als fünfzehn Tage nach der Feststellung der Identität der schadensersatzberechtigten natürlichen Person einen Vorschuss zur Befriedigung der unmittelbaren wirtschaftlichen Bedürfnisse, und zwar im Verhältnis zur Schwere des Falles.
In Deutschland finden die Regeln der Warschauer Abkommens bei Schadensersatz gegen ein Flugunternehmen nach Art.44 Luftverkehrsgesetz wie folgt Anwendung:
- 44 [1] Anwendungsbereich – Für die Haftung auf Schadensersatz wegen der Tötung, der Körperverletzung oder der Gesundheitsbeschädigung eines Fluggastes durch einen Unfall, wegen der verspäteten Beförderung eines Fluggastes oder wegen der Zerstörung, der Beschädigung, des Verlustes oder der verspäteten Beförderung seines Reisegepäcks bei einer aus Vertrag geschuldeten Luftbeförderung sowie für die Versicherung zur Deckung dieser Haftung gelten die Vorschriften dieses Unterabschnitts, soweit
1.das Abkommen vom 12. Oktober 1929 zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Erstes Abkommen zur Vereinheitlichung des Luftprivatrechts) (RGBl. 1933 II S. 1039) (Warschauer Abkommen) und das Gesetz zur Durchführung des Ersten Abkommens zur Vereinheitlichung des Luftprivatrechts in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 96-2, veröffentlichten bereinigten Fassung,
2.das Protokoll vom 28. September 1955 zur Änderung des Abkommens zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (BGBl. 1958 II S. 292),
3.das Zusatzabkommen vom 18. September 1961 zum Warschauer Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die von einem anderen als dem vertraglichen Luftfrachtführer ausgeführte Beförderung im internationalen Luftverkehr (BGBl. 1963 II S. 1160),
4.das Übereinkommen vom 28. Mai 1999 zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (BGBl. 2004 II S. 458) (Montrealer Übereinkommen) und das Montrealer-Übereinkommen-Durchführungsgesetz vom 6. April 2004 (BGBl. I S. 550, 1027),
5.die Verordnung (EG) Nr. 2027/97 des Rates vom 9. Oktober 1997 über die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei Unfällen (ABl. EG Nr. L 285 S. 1), geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 889/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Mai 2002 (ABl. EG Nr. L 140 S. 2), in der jeweils geltenden Fassung, und
6.die Verordnung (EG) Nr. 785/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Versicherungsanforderungen an Luftfahrtunternehmen und Luftfahrzeugbetreiber (ABl. EU Nr. L 138 S. 1), in der jeweils geltenden Fassung,
nicht anwendbar sind oder keine Regelung enthalten.
(LuftVG § 44, beck-online)
In Spanien wurde das Warschauer Abkommen von 1929 durch den Beitritt zum Montrealer Abkommen von 1999 umgesetzt und die zweijährige Verjährungsfrist übernommen,